Die Veranstaltung „Digital, regional, egal?“ der Agentur Siblerball hat mich dazu gebracht darüber nachzudenken, warum kleine und mittelständische Vorarlberger Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung nicht ins Handeln kommen. Ich glaube es fehlt an einem Handlungs-Leitfaden der auch die Kosten- und Erfolgsrechnung mit sich bringt. Ich möchte hier mit meinem Ansatz zur agilen Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie eine Anregung geben.
Zunächst gilt es hierfür die Begriffe zu klären. Bei Kleinunternehmen gehe ich von einer MitarbeiterInnen-Anzahl <50 aus, die InhaberInnen-geführt sind. Mir begegnen in Vorarlberg viele Kleinstunternehmen, bei denen die MitarbeiterInnen-Anzahl <10 liegt. Für meine nachfolgenden Annahmen gehe ich von 5 MitarbeiterInnen im Unternehmen aus. Mittelständler haben <250 MitarbeiterInnen, ich nehme 120 für meine nachfolgenden Aussagen an.
Egal ob kleines oder mittelständisches Unternehmen: um ins Handeln zu kommen braucht es den konkreten Auftrag an eine Person oder einen Personenkreis. Ich schlage daher die Schaffung eines Digitalisierungs-Teams im Unternehmen vor. Da die „Digitalisierung“ an und für sich schon einen sehr unpräzisen Begriff darstellt und wir uns im schnelllebigen „Digitalisierungs-Zeitalter“ bewegen, wäre es gut wenn sich das Team selbst organisiert und am agilen Manifest orientiert – auch wenn das Team sich nicht ausschließlich mit Software beschäftigt. Die Zusammensetzung des Teams sollte, der Komplexität der Aufgabe folgend, multi-disziplinär (englisch „cross-functional“) sein, um a) möglichst alle Bereiche des Unternehmens abzudecken und b) auch selbst-verantwortlich Entscheidungen treffen zu können und diese umzusetzen. Um die vielfältigen Digitalisierungs-Aufgaben nach Wertschöpfung priorisiert, aber auch forschend iterativ zu lösen, schlage ich vor den Arbeitsprozess des Digitalisierungs-Teams nach der Scrum-Methode zu organisieren.
Im Idealfall würde ein solches Team – das man auch als Innovations-Team bezeichnen könnte – sich mit 100% seiner Arbeitskraft auf die Aufgabe fokussieren. Das ist natürlich im Kleinstunternehmen vollkommen illusorisch und auch im Mittelstand eine erhebliche Herausforderung. Daher schlage ich folgende Team-Größen / Arbeitszeit-Budgets vor:
Unternehmensart | Anzahl MitarbeiterInnen im Team | Zeit pro Teammitglied pro Woche |
---|---|---|
Kleinunternehmen | 5 | 2 h |
Mittelstand | 7 | 4 h |
Das Team erarbeitet und ergänzt fortwährend ein Digitalisierungs-Backlog. Dabei kann es im Team einen „Product owner“ (also einen Digitalisierungs-Beauftragten) geben – es muss aber nicht sein. Wichtig ist die einzelnen Aktivitäten zu Priorisieren und diese dann fokussiert in Sprints abzuarbeiten. Hierzu schlage ich eine Sprint-Dauer von 2 Monaten vor. Diese Sprint-Dauer hat mehrere Vorzüge:
- das Team liefert alle 2 Monate ein Ergebnis an die Organisation – Kontinuität ist gegeben
- Änderungen interner (digitaler) Prozesse erfolgen maximal alle 2 Monate und belasten die Gesamt-Organisation nicht übermässig
- die Team-Mitglieder können ihre Arbeit in ihrem Alltags-Umfeld so strukturieren, dass sinnvolles Arbeit möglich ist. Konkret: in Kleinunternehmen sollten die Mitarbeiterinnen entweder einen halben Tag in 2 Wochen, oder 1 Tag in 4 Wochen an der Digitalisierung arbeiten können – also freigestellt werden. Im Mittelstand wären das ein halber Tag pro Woche, oder ein Tag innerhalb eines zweiwöchigen Zyklus
Insgesamt ergibt die 6 Sprints pro Jahr, also sechs Iterationen an denen das Team dem Management konkrete Ergebnisse vorlegt. Es gibt also 6 mal im Jahr die Möglichkeit Ziele zu revidieren und anders zu priorisieren – oder auch die Aktivitäten aus wirtschaftlichen Gründen wieder einzustellen (was ich nicht hoffe).
Worauf soll das Team sich aber nur konzentrieren, wo anfangen? Ich schlage hierzu vor, drei wesentliche Klassifizierungen bzw. Abgrenzung der Kompetenz zu machen:
interne Prozesse | das Team analysiert interne Prozesse hinsichtlich vorhandener oder möglicher Digitalisierung. Ziel jeder Aktion (im Sinne einer agilen Geschichte das „Akzeptanz Kriterium“) muss die Steigerung der Effizienz der Organisation sein. |
Kunden Kommunikation | das Team betrachtet alle Anknüpfungspunkte mit Bestands- und Neukunden und versucht herauszufinden welche ggf. neuen Kommunikationskanäle erschlossen werden können. Akzeptanz-Kriterium hierbei ist einerseits die sich daraus ergebende geschätzte Umsatzmehrung, aber auch die Akzeptanz der Kunden für diese Digitalisierung |
Digitale Produkte | das Team versucht ergänzend zum Kerngeschäft des Unternehmens digitale Produkte zu finden, die zusätzlichen Umsatz generieren |
Wenn die Akzeptanzkriterien konsequent verfolgt werden, ergeben sich in Summe auch wirtschaftliche Effekte für das Unternehmen durch Kostensenkung oder Umsatzsteigerungen. Ich gebe hierzu ein paar grobe Schätzzahlen:
Unternehmensart | interne Prozesse | Kunden Kommunikation | digitale Produkte |
---|---|---|---|
Kleinunternehmen | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~15% Angenommene Kostensenkung: 10% | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~15% Angenommene Umsatzsteigerung: 5% | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~70% Angenommene Umsatzsteigerung: €50.000 |
Mittelstand | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~18% Angenommene Kostensenkung: 2% | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~27% Angenommene Umsatzsteigerung: 0,5% | Eingesetzte Kapazität des Teams: ~55% Angenommene Umsatzsteigerung: €100.000 |
Das sind natürlich nur Annahmen, ohne konkrete Zahlen eines Unternehmens zu haben. Es ist jedoch nicht sehr aufwändig eine solche grobe Kalkulation für das eigene Unternehmen zu erstellen und damit die Frage zu beantworten „rechnet sich der Aufwand für ein Digitalisierungs-Team?“. Ich sage ja, eine Digitalisierungs-Strategie kann umgesetzt werden, auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen.